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Namasté

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Mittwoch, 15. September 2010

Die menschliche Form

„Die Meisterschaft des Bewusstseins ist es, die dem Montagepunkt einen Schub versetzt. Immerhin hat’s mit uns Menschen nicht viel auf sich: wir sind im Wesentlichen ein Montagepunkt, der an eine bestimmte Position fixiert ist. Unser Feind, und zugleich unser Freund, ist der innere Dialog, unser inneres Inventar. Sei ein Krieger. Schalte deinen inneren Dialog ab. Mache dein Inventar und wirf es zum Fenster hinaus. Die neuen Seher legen sorgfältige Inventare an und lachen am Ende darüber. Ohne das Inventar wird der Montagepunkt frei.“
Don Juan erinnerte mich daran, dass er viel über den stabilen Aspekt unseres menschlichen Inventars gesprochen habe: unsere Vorstellung Gottes. Dieser Aspekt, sagte er, wirke wie ein starker Leim, der den Montagepunkt an seine ursprüngliche Position binde. Falls ich aber eine andere wahrhafte Welt, aus einem anderen großen Emanations-Band montieren wolle, müsse ich einen unvermeidlichen Schritt tun und meinen Montagepunkt von all diesen Dingen freimachen.
Dieser Schritt bedeutet, die Form des Menschen zu sehen“, sagte er. „Das wirst du heute tun müssen, und zwar ohne Hilfe.“
„Was ist die Form des Menschen?“ fragte ich.
„Ich habe dir viele Male geholfen, sie zu sehen“, sagte er. „Du weißt, wovon ich spreche.“
Ich verzichtete auf meinen Einwand, ich wisse gar nicht, worum er spräche. Wenn er sagte, ich hätte die Form des Menschen gesehen, dann musste ich sie gesehen haben, auch wenn ich nicht die blasseste Ahnung hatte, wie sie aussehen sollte.
Er wusste, was mir durch den Kopf ging. Er zeigte mir ein wissendes Lächeln und schüttelte bedächtig den Kopf.
„Die Form des Menschen ist ein riesiges Bündel von Emanationen im großen Band des organischen Lebens“, sagte er. „Man nennt sie die Form des Menschen, weil das Bündel nur im Kokon des Menschen sichtbar wird. Die Form des Menschen ist jener Teil der Emanationen des Adlers, den die Seher direkt sehen, ohne sich in Gefahr zu bringen.“

„Die Wahrnehmungsbarriere zu durchbrechen, das ist die letzte Aufgabe der Meisterschaft des Bewusstseins“, sagte er. „Um den Montagepunkt in diese Position zu bewegen, musst du genügend Energie ansammeln. Eine Wieder-Entdeckungsreise machen. Dich erinnern, was du getan hast.“
Ich versuchte vergeblich, mich zu erinnern, was die Form des Menschen sei. Ich empfand eine unerträgliche Frustration, die alsbald in echte Wut umschlug. Ich war böse auf mich selbst, auf Don Juan, auf jeden.
Don Juan blieb ungerührt durch meinen Zorn. Ärger, stellte er sachlich fest, sei eine ganz natürliche Reaktion auf das Widerstreben des Montagepunktes, sich auf Befehl zu bewegen.

Dann erklärte er mir ausführlich, was die Form des Menschen sei. Er sprach nicht darüber im Sinne der Emanationen des Adlers, sondern im Sinne einer energetischen Struktur, die in der Lage sei, einem amorphen Klumpen biologischer Materie die Eigenschaften des Menschlichen aufzuprägen. Zumindest verstand ich es so, zumal er mir die Form des Menschen in mechanischen Gleichnissen schilderte. Sie sei ein gigantischer Prägestock, sagte er, der in endloser Folge menschliche Wesen ausstanze, als kämen sie von einem Fabriksfließband.
Er sagte auch, dass jede Gattung ihre Form habe und dass jedes auf diese Weise geformte Individuum einer jeden Gattung die seiner Art entsprechenden Merkmale aufweise.
Und dann gab er mir eine beruhigende Schilderung dieser Form des Menschen. Die alten Seher, sagte er, hätten mit den abendländischen Mystikern eines gemeinsam, nämlich, dass sie die Form des Menschen sahen, ohne jedoch zu verstehen, was sie sei. Die Mystiker aller Jahrhunderte hätten uns ergreifende Berichte von ihren Erfahrungen hinterlassen. Diese Berichte, so schön sie wären, litten alle an den einen großen, hoffnungsvollen Mangel, dass darin die Form des Menschen als allmächtiger, allwissender Schöpfer aufgefasst würde. Das gleiche gelte auch für die Deutung der alten Seher, die die Form des Menschen als freundlichen Geist, als Beschützer der Menschen bezeichnete.
Einzig die neuen Seher, sagte er, seien nüchtern genug, die Form des Menschen als das zu sehen und zu verstehen, was sie sei. Und sie hatten erkannt, dass die Form des Menschen kein Schöpfer sei, sondern das Prägemuster aller nur denk- oder vorstellbaren menschlichen Eigenschaften. Die Form, sagte er, sei unser Gott, weil wir nun eben das seien, was uns präge, und nicht etwa, weil sie uns aus dem Nichts und nach ihrem Ebenbild geschaffen hätte. Wollten wir vor der Form des Menschen auf die Knie fallen, so sei dies in Don Juans Augen ein Zeichen von Arroganz und menschlicher Selbstbezogenheit.

Er gab mir einen Schlag auf die rechte Körperseite, zwischen Hüftknochen und Brustkorb. Der Schlag ließ mich davon schweben in ein strahlendes Licht, in einen durchsichtigen Quell der friedlichsten und köstlichsten Seligkeit. Dieses Licht war ein sicherer Hort, eine Oase in all der Schwärze, die mich umgab.

Während ich mit aller Inbrunst, deren ich fähig war, in das Licht starrte, fing das Licht an sich zu verdichten, und ich sah einen Mann. Einen leuchtenden Mann, der Charisma ausstrahlte. Der Liebe, Verstehen, Aufrichtigkeit und Wahrheit ausstrahlte. Ein Mann, der die Quintessenz alles Guten war.
Die Inbrunst, mit der ich diesen Mann sah, übertraf alles, was ich je in meinem Leben empfunden hatte. Ich fiel auf die Knie. Ich wollte den Mensch gewordenen Gott anbeten, aber Don Juan schritt ein und versetzte mir einen Schlag auf die Brust, in Höhe des Schlüsselbeins, und ich verlor den Anblick Gottes.
Don Juan machte sich lustig über mich. Er nannte mich einen unbekümmerten Frömmler und meinte, ich hätte das Zeug zum Priester.
„Und der Mann?“ fragte er. „Du kannst wohl nicht vergessen, dass Gott ein Mann ist?“

Nun erinnerte ich mich, dass ich die Form des Menschen fünfmal im Laufe der Jahre gesehen hatte.
(Auch damals) fiel ich auf die Knie, aber nicht aus Frömmigkeit, sondern aus psychische Reaktion auf meine Ergriffenheit. Der Anblick der Form des Menschen war erstaunlicher denn je. Ohne alle Überheblichkeit glaubte ich, eine gewaltige Veränderung durchgemacht zu haben – seit damals, als ich sie zum ersten Mal sah. All die Dinge, die ich gesehen und gelernt hatte, vermittelten mir nur eine tiefere Dankbarkeit für das Wunder, das da vor meinen Augen geschah.

Die Form des Menschen hatte keine Macht, mich zu beschützen oder zu verschonen, und doch liebte ich sie mit einer Leidenschaft, die kein Ende kannte.
Jetzt glaubte ich auch zu verstehen, was Don Juan mir immer wieder gesagt hatte, nämlich, dass wahre Liebe keine Investition sein kann. Mit Freuden hätte ich mich dem Dienst an der Form des Menschen gewidmet, nicht um dessenthalben, was sie mir geben konnte, denn sie hatte nichts zu geben, sondern um der reinen Liebe wegen, die ich für sie empfand.

Ich sah keinen Grund mich zu rechtfertigen. Meine Liebe zur Form des Menschen war frei, ohne Gedanken an einen Lohn. Es machte mir nichts aus, dass mein Gelübde wertlos sein sollte.


(Textausschnitte aus „Das Feuer von innen“)